Johann Gottfried Seume über J. D. Falk

Hier [in Weimar] sah ich noch zum Abschied auf einige Minuten Falk, den ich in seinem Wohlaussehen kaum erkannte, so wie er aus dem knight of the woeful countenance seinen alten Syrakuser nicht heraus fand. Ich achte den Satyr sehr hoch, der in einer so furchtbaren Krise einen so braven Charakter standhaft durchträgt: und es macht dem Herzog wahre Ehre, daß er den Wert eines solchen Mannes auch öffentlich anerkennt und schätzt. Falk weiß, daß ich ihm nie mit einem Worte geschmeichelt, daß ich ihm vielleicht nie eine Sylbe angenehmes gesagt, weder zu Hause noch auf dem Markte; aber es tut mir wohl, wenn man einen wackeren Charakter nach meinem Sinne so wacker durchträgt, wie Falk und Iffland; eine Erscheinung, die jetzt leider nicht sehr oft vorkommt.

(Johann Gottfried Seume, Werke. Bd. 2, Frankfurt/Main 1993, Seite 392-393)

Vgl. auch: | Johann Gottfried Seume: | Epistel an Herrn Falk in Berlin.
In: Der neue Teutsche Merkur. 1790-1810. 1797 , 2.Bd. , S. 149 - 156

Christoph Martin Wieland über J. D. Falk

Falk an Karl Morgenstern. Weimar. [25. Sept. 1796]: Ich erhielt dieser Tage einen Abdruck der Gebete aus dem Göttinger Musenalmanach. [Die Gebete. Zwey satirische Gedichte. 1796 in Leipzig erschienen.] Diesen teilte ich Böttger mit. Böttger führt mich zu Wieland und spricht von diesem unvollkommenen Versuch mit Begeisterung. Wieland wird neugierig. Böttger muß vorlesen. Mit der gespanntesten Aufmerksamkeit hört Wieland, nur zuweilen unterbricht der den Vorleser durch ein lautes Bravo oder beugt sich bei einem satyrischen Seitenhieb schalkhaft lächelnd über seinen Lehnsessel. - Böttger schließt und Wieland springt auf, umarmt mich wie ein Vater seinen Sohn und spricht über mich das große Wort der Weihe. ... Mein Herz war tiefgerührt. Der Enthusiasmus des großen Dichters, die liebenswürdige Heftigkeit, mit der er mich als einen ächten Sohn Apollon´s begrüßte, die Innigkeit, mit der er versicherte, seit mehreren Jahren hätte kein deutsches Gedicht diesen Eindruck auf sein Herz und seine Phantasie gemacht. ... >Dies ist, fuhr Wieland fort, wahrer poetischer Geist und selbst die hypercritisireden jenischen Kritiker wissen dies und werden es eingestehen: Hier ist Gottes Finger! - Der Geist Juvenals ruht zehnfach auf Ihnen, junger Mann. Das ist nicht Nachahmung; sein Geist selbst ist aus seinem Grabe hervor. Hier ist mehr als Boileau. Welch eine Wollust für mich am Abende meines Lebens noch einen jungen Mann zu sehen, der nun nach der herrlichen Reihe großer ausländischer und einheimischer Dichter von Homer und Juvenal an bis auf Bürger und Haller wieder einen ganz eigenen Weg einschlägt und seine eigene Originalität behauptet. Wo ist dieses Stück abgedruckt?< Im Göttinger Musenalmanach. - >Ich beneide den Göttinger Musenalmanach deshalb. Warum wird mir für meinen Merkur nicht einmal ein desgleichen Stück zu Theil?< Ich habe ihm eins versprochen. - >Wie haben Sie in diesem durchaus verdorbenen Zeitalter Ihren Geschmack so rein von als dem Firlefanz und Flitterstaat und Ihre Sprache rein von Inversionen und Grammatikalien erhalten?< Durch die Lektüre Ihrer Schriften. - >Ach, fuhr er fort, es ist eine traurige Zeit; Jungen, die ich noch ohne Hosen gekannt und herumlaufen sah, schreiben an mich und belehren mich, worin das Wesen der Poesie bestehe und daß Märchendichtung gar keine Poesie sei. Wenn ich was lesen will, so muß ich gewöhnlich meine bestaubten Schulriemen aufschnallen und da etwas hervorlangen. Alles Neue widersteht mir. Da hab´ ich jetzt Freund Goethens Meister. Dieser unterhält mich. Hier sind scharfe Umrisse; nur selten daß er seine Darstellung nicht festgreift und mit sicherer Hand durch den Zauber seiner Kunst hinstellt. Es ist wahr, man findet hier keine vorzüglichen Charactere. Der Character der Philine ist - eine H. ... Ich kann zwar nicht versichern, ob der Verfasser die Natur genau copirt hat - einiger versichern es - ich bin in dieser Art Natur zu wenig bekannt und kenne die Spuren bloß aus den Schriftstellern. Aber man fühlt es, der Character ist wahr und lebendig aus der Natur gegriffen. Nur selten stößt man auf kleine Sprachunrichtigkeiten und selbst die hätte er verwischt, wenn er mir dies Werk so wie manche früheren zur Durchsicht mitzutheilen Zeit gehabt hätte. Er pflegt auf meine Erinnerungen viel Rücksicht zu nehmen.< Nachdem wir noch über Dies und Jenes geschwatzt hatten, gingen wir zusammen in den Park. - Im Park persiflirte er mit vieler Laune die massiven dorischen Säulen auf die der Herzog mit unsäglichen Kosten ein oder zwei Kämmerchen anlegen läßt. >Diese schrecklichen Steinmassen, diese furchtbare Grundlage und darüber so ein unbedeutendes Gebäude kommt mir grade vor, als ob man eine Schiffsbrücke à la Xerxes schlagen wollte um Krebse zu fangen.<

(aus: Thomas C. Starnes: Christoph Martin Wieland. Leben und Werk. Bd. 2, Sigmaringen 1987, Seite 531-532)

Christoph Martin Wieland an Johann Daniel Falk, Weimar, 22. 4. 1808
W. den 22sten April. [1808]
Guten Morgen!
Mit vielem Dank stelle ich Ihnen, Werthester Freund, das 3te Stück des Phöbus wieder zu. Einen possierlichern Mischmach von Wahrem u. Absurdem hab’ ich nicht leicht gelesen; nur daß alles Wahre gemein und längst gesagt, alles neue hingegen lauter Seifenblasen, Irrwische und Wind! Wind! Wind! ist. Eine lustige Theorie der Schönheit und der Poesie, vermöge deren alles was lebt schön und alles was nicht Prosa ist, Poesie ist!! Noch lustiger finde ich Herrn Adams Methode im Vortrag, seine Art zu demonstrieren, wo er den Satz in welchem die Beweiskraft liegt, fast allemahl gratis voraussetzt – seine Manier durch Bilder u. Gleichnisse zu beweisen, sein Bachstelzenartiges Hin u. herHüpfen und mit dem Köpfchen Hin u. herwackeln und herumgucken etc. Kurz die Dresdner Damen u. Herren haben sich da für ihr Geld einen Philosophischen Polichinel (1) angeschaft, den sie sich nicht närrscher u. drollichter wünschen können. Übrigens und wiewohl Hr. Adam mit sich selbst noch lange nicht auf dem Reinen ist, scheint er doch hie und da, besonders auf den lezten Blättern seiner Vorles [ung] wo möglich unvermerkt, auf die gewöhnliche Land und Fuhrstraße einlenken zu wollen, u. in diesem Sinn kann nichts erbaulicher oder, wenn Sie wollen, lustiger seyn, als die allgemeine Amnestie und Christliche Toleranz alles dessen was nun einmahl da ist, oder noch kommen wird, wozu er seine Brüder so nachdrücklich ermahnt. Kurz, wir erleben vielleicht noch die Zeit, wo wir (ungefähr in eben dem Sinn wie unser Herrgott von dem ersten Adam) wieder sagen können: Adam ist worden als unser einer. Über die unverständigen Sprach u. Wörter-Controlleurs, (2) über den Mißbrauch dessen was man Correctheit, Eleganz u. s. w. nennt, und mehr anderes sagt er einige wahre aber höchst triviale Dinge: aber haben Sie in Ihrem Leben etwas possierliches gehört oder gelesen als folgendes (pag. 17) „Jedes Wort hat einen Körper d. h. einen bestimmten festen Begriff, den es (das Wort) als Seele bewohnt: aber wie dieser Begriff durch den Philosophen (vermittelst der Abhäutung und Abfleischung) in Beziehung auf alle andere Begriffe des Universums gebracht werden kann, eben so das Wort durch den Dichter auf alle andere Worte.“ So daß einem Poeten nach der Neuesten Art und Kunst nichts leichter, ist als Arsch und Balsambüchschen, Misthaufen u. Hyacinthen-Beet Regenbogen und Nachttopf in Beziehung zu bringen und eins fürs Andere zu setzen. Von dergleichen Behauptungen wimmelts in dieser Vorlesung – Und um einen solchen Morosophischen Marktschreyer versammelt sich das hochadeliche u. Wohlvornehme Dresdner Publicum utriusque sexus, und wirft ihm mit Gold beladne Schnupftücher zu! Wird man da nicht versucht, mit dem Zigeuner Hauptmann in Göthes Schönbartsspiel auszurufen: „Weitmanlichte Laffen, feilschen u. gaffen, gaffen u. kaufen, Bestienhaufen! Kinder u. Fratzen! <148:> Affen und Katzen! “ (3) – Aber wie sollte auch ein philosophischer Saltimbanque nicht Glück machen der den Damen demonstriert, daß die unholdeste von ihnen, wenn sie nur lebt, so schön ist als die Mediceische Venus, (4) und jeder Hofjunker u. Fähndrich, wenn er nur wohl parfümiert u. gesellig ist, sich getrost neben Sokrates u. Plato, Alexander u. Cäsar stellen kann? Mundus vult decipi. Soviel beyläufig und in Eil. Denn ich muß zu meinem lieben Cicero, (5) wiewohl Hr. Adam (vermuthlich weil der arme Mann todt ist) soviel böses von ihm sagt. (6)
   Dies Blättchen ist nur für Sie: Sie machen also keinen Gebrauch davon. Adieu, leben Sie wohl, l. F.
W.

Anmerkungen:
(1) Frz. Polichinelle. Charaktermaske aus süditalienischen Volkspossen, die in die Commedia dell’arte aufgenommen wurde.
(2) Müller greift z. B. den ,Dictionnaire de l’Academie‘ und Adelung an (Phöbus. Ein Journal für die Kunst. Hg. von H. v. Kleist u. A. Müller. Dresden 1808. Fotomechan. Nachdruck. Nachwort u. Kommentar von H. Sembdner. Stuttgart 1961. S. [7ff.] u. [10]).
(3) Das Zitat stammt aus Goethes Satire ,Jahrmarktsfest zu Plundersweilen. Ein Schönbartspiel‘, dessen erste Fassung 1774 erschien.
(4) Wieland macht sich hier über folgende Behauptung Müllers lustig: „alles was lebt, ist, inwiefern es lebt, auch schön.“ (Phöbus. Stuttgart 1961. S. [115]).
(5) Ab 1808 veröffentlichte Wieland eine Gesamtausgabe der Briefe Ciceros in deutscher Übersetzung.
(6) Bei Müller heißt es: „Welches kräftige Gemüth hat sich nicht gesträubt, als in seiner Jugend eine kümmerliche Blumenlese Ciceronischer Wendungen ihn als einzig schöne Latinität aufgedrungen wurde, die darin bestand, die für sich schon steifen und gezierten Gelenke des Cicero, dieses eben nicht sehr römischen Römers, im Holz nachzuschnitzeln …“ (ebd. S. [120]). 
Hermann F. Weiss, Funde und Studien zu Heinrich von Kleist (Tübingen: Niemeyer 1984), 147f. – Copyright  © 2000 by Institut für Textkritik e. V., Heidelberg