NACHRICHTEN VON BÜCHERN UND MENSCHEN   #1


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Stichworte: Literatur-Salon / Friedrich Gottlieb Klopstock / Moritz August von Thümmel / Rainer M. Gerhardt / Gottfried Benn / Hans Wollschläger

Ich gebe mich nicht, wie Du meinst, intellektuellen Orgien hin. Ich habe ganz einfach gearbeitet, sehr regelmäßig und sogar ziemlich stumpfsinnig. Ich schreibe nicht mehr, wozu schreiben? Alles, was es an Schönem gibt, ist gesagt worden, und zwar gut gesagt. Anstatt ein Werk zu schaffen, ist es vielleicht weiser, neue unter den alten zu entdecken. Mir scheint, je weniger ich schreibe, desto mehr Genuß finde ich in der Betrachtung der Meister. Und da es vor allem das ist, was ich verlange, meine Zeit angenehm zu verbringen, halte ich mich daran.
(Gustave Flaubert an Louise Colet, 20. Januar 1847)


LITERATUR-SALON 2006 / 2007 ff. :
 
A., B. und C. (schwören es zusammen) : Müde vom Durchwandern öder Letternwüsten, voll leerer Hirngeburten, in anmaaßendsten Wortnebeln ; überdrüssig ästhetischer Süßler wie grammatischer Wässerer ; entschloß ich mich : Alles, was je schrieb, in Liebe und Haß, als immerfort mitlebend zu behandeln ! ---
20. 9. 1958 - Darmstadt i. d. Barbarei
Arno Schmidt

Und wenn Sie sich vergegenwärtigen, wie etwa unsere viellaufenden zu 80 Prozent nur Ausländer bringen - dann kann man seine Indignation heute wieder gut verstehen ! : Warum druckt man da nicht einmal diese <Gelehrtenrepublik> wieder ab ? Das ist ein Buch, dem die Ausländer ganz wenig an die Seite zu setzen haben !
Arno Schmidt


FRIEDRICH GOTTLIEB KLOPSTOCK : Die deutsche Gelehrtenrepublik. Ihre Einrichtung. Ihre Geseze. Geschichte des lezten Landtags. Auf Befehl der Aldermänner durch Salogast und Wlemar. - Auf der Grundlage der Erstausgabe von 1774 ist dieses bedeutende Werk hier neu im HTML- und im PDF-Format erschienen; selbstverständlich ohne germanistische Eingriffe in den Text.
 
Nun trat Klopstock hervor und bot seine "Gelehrtenrepublik" auf Subskription an. (...) Wie Klopstock über Poesie und Literatur dachte, war in Form einer alten deutschen Druidenrepublik dargestellt, seine Maximen über das Echte und Falsche in lakonischen Kernsprüchen angedeutet, wobei jedoch manches Lehrreiche der seltsamen Form aufgeopfert wurde. Für Schriftsteller und Literatoren war und ist das Buch unschätzbar, konnte aber auch nur in diesem Kreise wirksam und nützlich sein. Wer selbst gedacht hatte, folgte dem Denker, wer das Echte zu suchen und zu schätzen wußte, fand sich durch den gründlichen braven Mann belehrt; aber der Liebhaber, der Leser war nicht aufgeklärt, ihm blieb das Buch versiegelt, und doch hatte man es in alle Hände gegeben, und indem jedermann ein vollkommen brauchbares Werk erwartete, erhielten die meisten ein solches, dem sie auch nicht den mindesten Geschmack abgewinnen konnten. Die Bestürzung war allgemein, die Achtung gegen den Mann aber so groß, daß kein Murren, kaum ein leises Murmeln entstand.
(Johann Wolfgang von Goethe: »Dichtung und Wahrheit«, Dritter Teil, 12. Buch.)


MORITZ AUGUST VON THÜMMEL:
 
Den Ruhm der schönsten, oft ganz homerisch verkörperten Prose teilt Thümmel vielleicht mit wenigen, unter welche Goethe und Sterne, aber nicht Wieland gehören, der die seinige durch Verkehr mit den französischen Allgemeinheiten entfärben lassen. Man könnte oft Thümmel ebensogut malen als drucken; z.B.: »Bald fuhr der Amorskopf eines rotwangigen Jungen zu seinem kleinen Fenster heraus, bald begleiteten uns die Rabenaugen eines blühenden Mädchens über die Gasse. Hier kam uns der Reif entgegengerollt, hinter dem ein Dutzend spielende Kinder hersprangen. Dort entblößte ein freundlicher Alter sein graues Haupt, um uns seinen patriarchalischen Segen zu geben.« Bloß an der letzten Zeile vergeht das Gemälde. Ebenso schön sinnlich ists, wenn er von den Empfindungen spricht, die man hat, »wenn die Deichsel des Reisewagens wieder gegen das Vaterland gekehrt ist«.
(Jean Paul)

Die gesammelten Werke sind (bis auf die "Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich...") vollständig erschienen. Ergänzungen werden vorgenommen (-> Thümmel-Materialien).
- "Die Reise ..." : von 10 Theilen sind erschienen: Theil 1 - 7
- Die Theile 8 bis 10 sind in Vorbereitung und werden demnächst erscheinen.
- Das Erscheinen der Gruner´schen Lebensbeschreibung ist vorgesehen und wird vorbereitet.


RAINER M. GERHARDT:
 
Er hat ein paar Zeichen signalisiert, die wichtiger sind als das meiste, was heute in Deutschland gedruckt wird.
(Alfred Andersch)

Am 9. Februar 2007 erscheint zum 80. Geburtstag nach langjährigen Bemühen eine Gesamtausgabe des (fast) vergessenen Dichters und Verlegers : Ermöglicht durch vielfältige Arbeiten und großzügige Unterstützungen (ideell und materiell).
 
Rainer Maria Gerhardt (1927-1954) war einer der Vorreiter, als es darum ging, der deutschen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Orientierung zu geben. Der fragmente-Verlag, den er zusammen mit seiner Frau Renate und mit Claus Bremer gründete, verfolgte ein schwindelerregend ambitioniertes Programm. In der internationalen Revue für moderne Dichtung: fragmente publizierte Gerhardt Werke u.a. von Artaud, Miller, Creeley, Olson und Pound. Gerhardts eigene Dichtungen sind an dieser Moderne geschult. Seine ungeglätteten Pound-Übertragungen verunsicherten damals und ließen den Übersetzer trotz Pounds Autorisierung auf der Suche nach einem deutschen Verleger scheitern.
Anerkennung oder ein nennenswertes Echo auf Gerhardts literarisches Programm, an das später andere erfolgreich anknüpften, blieben aus. Mit 27 Jahren wählte Gerhardt, finanziell ruiniert und literarisch isoliert, den Freitod.
Die Ausgabe enthält Gerhardts Werke, dokumentiert sein verlegerisches Wirken und wird durch Briefe und Stimmen über ihn ergänzt.

 
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GEGEN BENN :
 
Bereits Karl Kraus hat es getan, andere sind ihm gefolgt, ich darf mich anschließen : Was kann man Stärkeres gegen einen (gelegentlich so zu nennenden) Wicht unternehmen als ihn zu zitieren :
 
Gottfried Benn an seinen Verleger Max Niedermayer am 6. April 1949 : (...) auch heute bin ich der Meinung, dass der N.S. ein echter und tiefangelegter Versuch war, das wankende Abendland zu retten. Dass dann ungeeignete und kriminelle Elemente das Übergewicht bekamen, ist nicht meine Schuld und war nicht ohne Weiteres vorauszusehn. Wobei ich die Frage ganz unerörtert lasse, ob je eine der anderen Grossmächte, die Europa hervorgebracht hat, mit anderen Methoden als gewaltsamen und kriminellen zu einer beherrschenden Position gekommen sind. (Daher mein Kampf gegen den abendländischen Begriff von Geschichte, der sich in meinen neuen Büchern besonders klar ausspricht). Es hat nur Wert in der geistigen Welt, was man wirklich erlebt hat, was man innerlich erlitten und durchdacht hat, nur das gewinnt Gestalt, daher vertrete ich ja auch rücksichtslos den Standpunkt, dass die Emigranten nicht mir der Klarheit wie wir Hiergebliebenen die deutsche Geschichte beurteilen können, dass sie allein aus Ressentiment und Hass ihre jetzigen literarischen Elaborate nähren. Ich würde auch heute wieder hier bleiben und die Dinge erleben wollen, und ich spreche den Emigranten das Recht ab, sich als die alleinigen Repräsentanten des geistigen Deutschland zu gerieren. Dies aber darf man natürlich heute nicht aussprechen und der Telegraf würde es fanatisch bekämpfen (aber verschweigen, dass viele alte Genossen 1933 ebenso gern mitgearbeitet hätten, ja sich sogar um Mitarbeit gerissen haben, wenn man sie nur zugelassen hätte.)
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Hans Wollschläger  (17.3.1935 - 19.5.2007)
Was war entscheidend? Die Art seiner literarischen, seiner geistigen Existenz, die Person, der Mensch insgesamt. Dass er Einzelgänger, ein Mann fern der Moden, ein harter Arbeiter war, dass er mit dem Wort, dem Satzbau rang wie wohl wenige. Was ich schätzte, war sein an Schopenhauer und Karl Kraus gereifter Sprachgestus, mitunter von Ahnungslosen, Missgünstigen gar als perverse syntaktische Verrenkungen, als tragikomische Stilblüten verspottet, wenngleich manches in diesen so gut durchdachten, so brillanten Diatriben vielleicht doch allzu artistisch extorquiert, nicht gänzlich frei sein mag von Talmiglanz.
Karlheinz Deschner

Ein großer Text ist | hier | nachzulesen.


Meine Idee einer Zeitschrift ist etwas, was den paar Leuten, die einschlägige Texte herstellen, zur Verfügung steht. In der Tat wäre mir der Vergleich mit einem Vorführsaal recht, von dem ein Filmemacher nur verlangt, daß er technisch in Ordnung ist und von ihm benützt werden kann. Das ist etwas ganz anderes als "für uns zu schreiben", wie das sonst heißt. Statt Unterwerfung zu verlangen, bemühe ich mich, qualifiziert zu sein: ich kenne das Handwerk des Zeitschriftenredakteurs besser als jeder, in dessen Hefte je meine Texte erschienen.
 
     So definiere ich die Filmhefte nach ihren materiellen Eigenschaften: das ist bedrucktes Papier, geheftet, in einem gegebenen Format, drei- oder viermal im Jahr erscheinend, ein Vertriebsmittel und ein Produktionsmittel (es wird wichtig werden, das Letztere vom Ersteren zu trennen); ich definiere sie nach ihrem Benützerkreis, den Filminteressierten, die sie lesen und jenen, die darin publizieren (ich würde es begrüßen, wenn unter den letzteren das Gewicht sich verlagert vom Karrieristen, für den das Schreiben über Film eine drei Jahre währende Phase der Spätpubertät ist, zum professionellen Schreiber, dessen Verwicklung mit seiner Feder und dem Film permanent ist). Nach ihrem Inhalt definiere ich sie nur bedingt: das wird halt sein, was diese Leute, mich eingeschlossen, schreiben, und was zu produzieren ich ihnen helfen kann.
Herbert Linder: Zur Neuen Zeitschrift

 
Die "Filmkritik" ist eine Filmzeitschrift und der Rang ihrer Texte besteht in der Wahrheit, die diese von ihrem jeweils besonderen Gegenstand zu finden und zu sagen imstande sind. Das ist eine jeweils neue Anstrengung mit und an diesem Gegenstand, die aufs Ganze geht, nicht eine Anwendung von Ansichten oder ein Vergleich von Meinungen. Lessing hat das schöne Bild gefunden, wonach für die Beurteilung eines Bauwerks der in den Grundstein eingemauerte Spruch Nebensache ist, und die Kritiker, die es darauf abgesehen hätten, zuvor das Bauwerk einreißen müßten.
Redaktion »Filmkritik«: Was die "Filmkritik" ist

 
Eine mehr oder weniger starke hervorhebung neuer gesichtspunkte in literatur, und die dadurch hervorgerufene bewegung, mehr oder weniger stark aufgenommen oder ab-gelehnt, verlangt nicht nur demonstration in dichtung, sondern auch demonstration in kritik. Wir wollen dahingestellt sein lassen, ob die neuen gesichtspunkte den dichter hervorbringen oder der neue dichter den neuen gesichtspunkt. Die beantwortung dieser frage ist für uns nicht weiter wichtig, sie brächte uns kein wesentliches stück weiter. Festzustellen ist einzig, dass es irgendwie an der zeit ist, die bestrebungen innerhalb der modernen dichtung in einer revue zu demonstrieren, und die masstäbe, hervorgebracht von den bestrebungen innerhalb der modernen dichtung an neu geschaffene und an alte dinge zu legen. Ein grundsätzlich neues werk, von dem wir annehmen wollen, es gäbe es, verändert die welt, das heisst ihre vergangenheit und ihre zukunft.
Rainer M. Gerhardt: moderne dichtung in deutschland

 
(...) Vorzüglich muß eine vollkommene Zeitung aus der gegenwärtigen würklichen Welt, die man täglich vor Augen sieht herausgeschrieben werden, und zu dem Ende notwendig in einer großen Stadt herauskommen, wo wegen der Menge der Menschen auch die größte Mannigfaltigkeit in ihren Charakteren, Beschäftigungen und Verbindungen herrscht; wo ein beständiger Zufluß von Merkwürdigkeiten stattfindet, und wo sie sogleich von vielen tausend Menschen gelesen werden kann, ohne erst versandt werden zu dürfen. Wer eine solche Zeitung schreiben will, muß selbst, so viel er kann, mit eigenen Augen beobachten, und wo er das nicht kann, muß er sich an die Männer halten, die eigentlich unter das Volk, und in die verborgensten Winkel kommen, wo das Edelste und Vortrefflichste sowohl, als auch das Häßlichste und Verabscheuungswürdigste, sehr oft versteckt zu sein pflegt. (...) Er muß nichts weniger als ein einseitiger Gelehrter sein, sondern sich für alles interessieren können, was ihm nur irgend aufstößt, und sich täglich in der schweren Kunst üben, alles Vielfache unter irgend einen großen und wichtigen Gesichtspunkt zu bringen. Er muß die gegenwärtige Welt vorzüglich kennen lernen, und von der alten so viel, als nötig ist, um das Gegenwärtige daraus zu erklären. Und was noch das allerwichtigste ist, er muß sich eines unbescholtenen Charakters befleißigen, denn nur das berechtigt, mit einer edlen Freimütigkeit öffentlich vor dem Volk zu reden und zu schreiben. (...)
Karl Philipp Moritz: Ideal einer vollkommenen Zeitung

 
I.
Freyheit der Presse ist Angelegenheit und Interesse des ganzen Menschengeschlechtes. Ihr haben wir hauptsächlich die gegenwärtige Stufe von Kultur und Erleuchtung, worauf der grössere Theil der Europäischen Völker steht, zu verdanken. Man raube uns diese Freyheit, so wird das Licht, dessen wir uns gegenwärtig erfreuen, bald wieder verschwinden; Unwissenheit wird bald wieder in Dummheit ausarten, und Dummheit uns wieder dem Aberglauben und dem Despotismus Preis geben. Die Völker werden in die Barbarey der finstern Jahrhunderte zurück sinken; und wer sich dann erkühnen wird Wahrheiten zu sagen, an deren Verheimlichung den Unterdrückern der Menschheit gelegen ist, wird ein Ketzer und Aufrührer heissen, und als ein Verbrecher bestraft werden.
 
II.
Freyheit der Presse ist nur darum ein Recht der Schriftsteller, weil sie ein Recht der Menschheit, oder, wenn man will, ein Recht policierter Nazionen ist; und sie ist bloss darum ein Recht des Menschengeschlechts, weil die Menschen, als vernünftige Wesen, kein angelegneres Interesse haben als wahre Kenntnisse von allem, was auf irgend eine Art geradezu oder seitwärts einen Einfluss auf ihren Wohlstand hat, und zu Vermehrung ihrer Vollkommenheit etwas beytragen kann.
 
III.
Die Wissenschaften, welche für den menschlichen Verstand das sind, was das Licht für unsere Augen, können und dürfen also, ohne offenbare Verletzung eines unläugbaren Menschenrechtes, in keine andere Grenzen eingeschlossen werden, als diejenigen welche uns die Natur selbst gesetzt hat. Alles was wir wissen können, das dürfen wir auch wissen.
 
IV.
Die nöthigste und nützlichste aller Wissenschaften, oder, noch genauer zu reden, diejenige, in welcher alle übrigen eingeschlossen sind, ist die Wissenschaft des Menschen: Der Menschheit eignes Studium ist der Mensch.
Sie ist eine Aufgabe, an deren vollständiger und reiner Auflösung man noch Jahrtausende arbeiten wird, ohne damit zu Stande gekommen zu seyn. Sie anzubauen, zu fördern, immer größere Fortschritte darin zu thun, ist der Gegenstand des Menschen-Studiums: und wie könnte dieses auf andere Weise mit Erfolg getrieben werden, als indem man die Menschen, wie sie von jeher waren, und wie sie dermahlen sind, nach allen ihren Beschaffenheiten, Verhältnissen und Umständen, kennen zu lernen sucht?
Christoph Martin Wieland: Über die Rechte und Pflichten der Schriftsteller, in Absicht ihrer Nachrichten und Urtheile über Nazionen, Regierungen,und andere öffentliche Gegenstände


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